Stelle dir eine Welt ohne Wasser vor
An wilden Gebirgsbächen und Wasserfällen, die über,große Felsbrocken springen und an Stränden, wo meterhohe kraftvolle Wellen an steile Felswände klatschen, habe ich mich immer wieder gefragt, wer stärker ist, der Fels oder das Wasser. Die Antwort, die ich an den vom Wasser ausgehöhlten Formen, Mustern, Höhlen und Grotten ablesen konnte war eindeutig: das Wasser. Nimmermüde fließt, strömt, spritzt, plätschert, tropft, rauscht, kommt und geht es, am Meer zusätzlich bewegt von der Kraft des Mondes.
Seine Weisheit und Antwort an mich: etwas das fließt und in Bewegung ist, ist auf Dauer stärker als alles Feste und Starre. Das Wasser wird nicht weniger wenn es über die Felsen fließt, während der Fels mit der Zeit an Substanz verliert und in neue Formen verwandelt wird, erschaffen von der Lebendigkeit und Bewegung des Wassers.
Wasser in all seinen Qualitäten und vielseitigen Gestalten zu erleben, ist eines unserer Ziele auf dieser Reise.
Neuseeland ist ein Wasserparadies, wo kein Tag vergeht ohne eine Wanderung am Gebirgsbach, einen Campingplatz am See, ein Bad in den kühlen Wellen des Meeres oder die wunderbare Entspannung in einem hot Pool. Auf der Suche nach besonderen Muscheln und Steinen umspült das Meerwasser sanft die Füße, unser Kajak verändert überraschend schnell seine Richtung wenn die Strömung des Flusses es so will, am unteren Ende eines kleinen Wasserfalls wird der Gebirgsbach beim Baden zum quirligen Whirlpool, nur wenige Sekunden tauchen wir ein in die azurblauen Tiefen eines eiskalten Baches, um wie neugeboren wieder aus dem Wasser zu steigen, unser Boot wird von einem Wasserfall 7m in die Tiefe gespült, für einige Sekunden verschwinden wir im Wasserfall, um lachend wieder samt Boot aufzutauchen,
aus den tiefsten Tiefen unserer Erde sprudeln warme Quellen, in die wir uns genußvoll morgens in der Dämmerung hineinlegen, wir stehen staunend vor einem Feld von zischenden, dampfenden heißen Quellen, die von Zeit zu Zeit blubbern oder sich als Fontäne nach oben schwingen,
wo gerade noch Wasser war liegt der Meeresboden offen da und lädt zu einer Wanderung ein oder unsere Kleider werden da, wo es gerade noch trocken war von einer großen Welle erfasst und aufs Meer hinausgetragen.
Meine Wassererfahrungen sind wie Lebenserfahrungen: vielseitig, unberechenbar, überraschend, sie bereichern mich auf unterschiedlichste Art und Weise.
Nachts stehe ich unter einem Sternenhimmel, der sich bis zum Boden hin ausbreitet. Ich sehe eine Vielzahl kleiner Sterne, die zusammen mal wie Sternennebel mal wie eine glitzernde Haube den Himmel schmücken. Diese Schönheit lässt mich still werden und lauschen.
Die Südinsel Neuseelands ist ein Ort, an dem ich immer wieder einer unfassbaren Stille begegne, einer Stille, die stiller ist als alles, was ich an Stille in den letzten 30 Jahren erlebt habe. Ich höre plötzlich Stille, sie bekommt eine Gestalt, sie lädt mich ein, ihr in die Tiefe zu folgen, um einem Frieden zu begegnen, der ursprünglich und natürlich ist. Am frühen Morgen löst sich die Stille der Nacht in den fröhlichen Gesängen der Vögel auf und begleitet mich noch eine Weile bis ich bereit bin, den kommenden Tag willkommen zu heißen, bereit für einen weiteren Tag in einer Natur wie ich sie bisher nur in Norwegen erlebt habe: wild, ungezähmt, frei und berührend schön
Wir sind nun auf den Spuren der Communities. Tilman hat bei seinen Recherchen über alternative Communities in Neuseeland zwei aufgespürt, die wir oben auf der Südinsel besuchen wollten: Riverside und TUI-Community. Ich bin Tilman sehr dankbar für diese Anregung, sie hat uns das Tor zu vielen besonderen und inspirierenden Begegnungen mit den Menschen, die hier leben geöffnet. Zuerst waren wir in Riverside, der ältesten Community, die gegründet wurde, um eine neue Art des Zusammenlebens zu erschaffen, auszuprobieren und zu leben. Der Impuls für die Gründung waren Kriegserfahrungen, die den Wunsch nach einer friedlichen, anders gestalteten Lebensweise geweckt hatten. Das große Stück Land, das die Community besitzt, ist ein wunderschönes Grundstück in Hanglage mit einer Farm für Milchvieh am dazu gehörenden Flussufer. Sie haben Häuser gebaut, mal einfach und aus billigen Baumaterialien, mal phantasievoll und aus Naturmaterialien, je nachdem was es gerade gab, wer was bauen konnte , Ideen hatte und wie viel Geld in der Kasse war. Sie haben eine gemeinsame Kasse, in die jedes Mitglied sämtliche Einkünfte, Pensionen o.ä. einzahlt. Der Betrag wird dann gleichmäßig an alle verteilt unabhängig davon, was der Einzelne eingezahlt hat, ein Teil deckt die laufenden Betriebskosten. Sie bewirtschaften Felder, von deren Ertrag sie teilweise leben und haben als weitere Einnahmequelle die Erträge aus der Milchwirtschaft. Bis vor einigen Jahren hatten sie auch noch Einkünfte aus ihrem mit viel Liebe gestalteten und selbstbetriebenen Riverside-Café. Leider hat sich niemand aus der Community mehr bereit erklärt diesen Knochenjob zu machen und die Gemeinschaft beschloss, es zu verpachten. Zwischen den Obstwiesen haben sie sich ein kleines Paradies geschaffen: einen See zum Schwimmen, Boot fahren, Fischen inmitten eines schön angelegten englischen Gartens, eine Oase zum Ausruhen und Meditieren.
Bei Eintritt in die Community bezahlt jeder eine Aufnahmegebühr, die beim Verlassen der Community einbehalten wird. Nach einer Probezeit von 2 Jahren entscheiden sich alle Beteiligten, ob jemand als Vollmitglied aufgenommen wird. Dieses Aufnahmeverfahren ist bei der TUI-Community ganz ähnlich nur gibt bei TUI niemand sein gesamtes Einkommen ab, sondern jeder zahlt pro Monat einen bestimmten Betrag in die Gemeinschaftskasse ein. Die Aufnahmegebühr ist bei der TUI -Community doppelt so hoch : 20 000 $NZ
Wir wurden in Riverside von Cathy geführt, die ihre ganzen 65 Jahre dort gelebt, 4 Kinder großgezogen und das Café geführt hat – eine beeindruckend natürliche und freie Frau, die sich ein Leben außerhalb der Community nicht vorstellen kann trotz langwieriger Diskussionsrunden bei anstehenden Entscheidungen und trotz aller persönlichen Einschränkungen, die ein Leben in Gemeinschaft mit sich bringt.
Die konsequent auf das Teilen aller Ressourcen ausgerichtete Riverside- Community sucht dringend nach jungen Familien, die sich bereit erklären sowohl finanziell als auch mit ihrer Tatkraft Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen – nach Aussage von Cathy gibt es immer weniger junge Familien, die sich mit ihrem ganzen Einkommen an einer Community beteiligen wollen, in der zunehmend ältere Menschen leben – durchaus verständlich und schade für das, was andere aufgebaut haben.
Mit unserem Besuch bei der TUI- Community hatten wir großes Glück. Wir kamen an einem Dienstag dort an, genau dem Tag, an dem sie ihr wöchentliches Gemeinschaftsessen und daran anschließendes Meeting haben. Sie luden uns ein, mitzuessen und danach an ihrem Meeting teilzunehmen. Dadurch bekamen wir die beste aller Möglichkeiten in das Innenleben der Gemeinschaft hineinzuschauen und – zu fühlen. In dem Meeting ging es um organisatorische Fragen, und da wir selbst schon Erfahrungen mit Meetings im Circle gesammelt haben, war es sehr spannend zu erleben wie diese Gemeinschaft an ihre Themen herangeht, Dinge klärt und Entscheidungen trifft. Sie benutzen verschiedenfarbige Kärtchen, um zu zeigen, dass sie etwas fragen oder entgegnen wollen und um abzustimmen. Was mir besonders gut gefallen hat, war der Beginn des Meetings: die ersten Äußerungen der Anwesenden galten der Wertschätzung für die anderen. Erst danach ging der Gesprächsleiter zur Tagesordnung über. Die gegenseitige Wertschätzung hat wesentlich dazu beigetragen, eine positive, offene Atmosphäre im Raum zu erzeugen.
Ein weiterer glücklicher Zufall war ein Heartsharing – Circle, der am darauffolgenden Wochenende auf dem Event-Gelände der Tuis stattfinden sollte. Wir bekamen die Möglichkeit daran teilzunehmen und weitere spannende Menschen kennenzulernen. Die Tuis haben in Eigenarbeit das sogenannte Treefield erschaffen. Es gibt hier einen Gruppenraum mit offenem Kamin und einer gut ausgestatteten angrenzenden Küche, einen sowohl äußerlich attraktiven als auch in der Funktion klug gemachten Toilettenblock und einen schwingenden Tanzboden umgeben von einer großzügigen überdachten Terrasse. Mehrere verschieden große Tipis stehen auf dem mit Büschen und Bäumen schön gestalteten Campground, wo es außerdem genügend Platz für Campervans und Zelte gibt. Sie haben einen kunstvollen Backofen und verschiedene Arten von Schwitzhütten gebaut und ein großes Zelt mit Feuerstelle und Trommeln für Meetings im Freien aufgestellt.
Wir waren begeistert!!!
Beim Heartsharing ging es darum, die inneren Prozesse, in denen sich jeder Teilnehmer / jede Teilnehmerin gerade befindet zu teilen. Wie wir erfuhren besteht die Kerngruppe der Teilnehmer aus einem Heartsharing- Männerkreis, zu dem diesmal die Frauen miteingeladen wurden – was für ein Glück für mich!
Am Ende des Workshops war ich erstaunt wie sehr der Wunsch nach Weiterentwicklung und Befreiung des Selbst auf der anderen Seite der Weltkugel unseren Anliegen und Bestrebungen in dieser Richtung ähnelt.
River und Sarah haben uns an diesem Wochenendes von einem Festival erzählt, das zwischen den Jahren beginnt und die Teilnehmer ins neue Jahr hinein begleitet. Convergence hieß das Zauberwort, das wir hier zum ersten Mal hörten. Im Lexikon fand ich als Übersetzung Zusammenkommen, was sich auf dem Festival meinem Gefühl nach nicht nur auf den Ort bezog, sondern auch ein Zusammenkommen auf der Herzebene meinte. Journeys End, ein Campground mitten im Grünen weitab von jeglicher Siedlung war bei unserer Ankunft schon voller Zelte und es gab viel Leben auf der großen grünen Wiese.
Nach sechs intensiven Tagen erfüllt von Tanz, Musik, Workshops, Gesprächsrunden und besonderen Begegnungen sind wir mit vielen Anregungen im Gepäck und etwas ruhebedürftig wieder abgereist. Einer meiner schönsten Momente bei Convergence war die Aufnahme der Neuen ( wozu wir gehörten ) in den Kreis dieser großen Familie mit einer wunderschönen Zeremonie: Über 300 Menschen standen schon im Kreis als sich der Kreis für uns öffnete und ein Mitglied uns mit einem Maori- Gesang begrüßte. Danach wurden wir in den Kreis geführt und jeder/ jede von uns Neuankömmlingen bekam einen Partner/eine Partnerin an seine Seite mit dem/ der er/ sie dann in den Kreis einzog, gemeinsam eine Runde im Kreis lief um anschließend mit allen geschätzt 400 “Familienmitgliedern” einen großen Kreis zu bilden. Ein weiteres Highlight waren für mich die Fünf- Rhythmen – Tanz- Circle im größten Zelt am Vormittag. Das waren so spannend angeleitete zweieinhalb Stunden mit inspirierend schöner Musik – danach war ich jedes Mal nur noch dankbar und glücklich.
Wer von euch meinen Bericht über Nepal gelesen hat weiß, dass wir uns dort 6 größere bis große Klangschalen gekauft haben, um damit später heilende Klangreisen zu machen. Zum wiederholten Male durften wir auf dem Festival die tolle Erfahrung machen, dass uns eine klare Ausrichtung und Absicht an die besten Orte, zu den wertvollsten Begegnungen und zu den wichtigsten Informationen für uns führen. So haben wir Claire und Will dort kennengelernt, die mit Klangschalen, Kristallschalen, Trommeln, Rasseln und etlichen anderen teilweise selbstgebauten Instrumenten heilende Klangreisen veranstalten und bei Convergence einen Teil ihrer wundervollen Arbeit vorgestellt haben. Wir bleiben in Verbindung mit den beiden und es gibt die Idee sich nächstes Jahr in Frankreich zu treffen, um etwas Gemeinsames zu machen.
Das Ende des Festivals läutete auch das Ende unseres freien Vagabundenlebens im Campervan ein: es war klar, dass wir ihn wiederverkaufen werden wenn wir Neuseeland verlassen. Ohne dass ich das gedacht hatte, wurde der Wiederverkauf zu einem Lehrstück über und für meine Schwachstellen. Ich war guter Dinge, hatte ein wunderschönes Szenario im Kopf, dass wir ihn gleich am nächsten Wochenende ohne große Mühe verkaufen werden und dann noch ein paar sorglose Tage in Christchurch verbringen und neugewonnene Freunde besuchen konnten. Tja, es kam anders: der schon zum Greifen nahe Verkauf hat sich zerschlagen und wir mussten uns auf den Weg nach Auckland machen, um den Wagen am darauffolgenden Wochenende auf jeden Fall zu verkaufen. – 3 Tage später ging unser Flugzeug nach Bangkok. Jetzt packte mich die Angst, was machen wir wenn wir ihn am nächsten Wochenende auch nicht verkaufen können? Müssen wir dann die Flüge umbuchen? geht das überhaupt? Außerdem hatte ich gar keine Lust 1000 km zurück nach Auckland zu fahren, wo es günstige 2 Stunden Flüge nach Auckland gab, auch die Kosten würden höher sein. Ich kam mehrere Tage lang nicht über den geplatzten Verkauf hinweg, war ärgerlich und fühlte mich als Gefangene dieses Campervan Verkaufs.
Von wegen annehmen und akzeptieren was ist, lieben was ist wie Byron Kathie so schön sagt. Ich war nur unzufrieden, ärgerlich und hatte keinen Spaß mehr an unserer Rückreise nach Auckland. Ich habe deutlich gespürt wie schwer es mir immer noch fällt von geliebten Vorstellungen Abschied zu nehmen, sie los zu lassen, um Platz für eine neue Möglichkeit zu machen und die Zeit dazwischen zu genießen. Oder habe ich erfahren wie groß der Schritt war, eine andere, neue schöne Vision zu kreieren wenn ich meinen Groll nicht los wurde . Nach 2 anstrengenden Tagen auf dem Backpacker Automarkt in Auckland konnte ich aufatmen – ein junger Holländer hat ihn uns zu einem noch annehmbaren Preis abgekauft, um damit ebenfalls 2 Monate los zu ziehen.
Beinahe hätte ich vergessen euch von meinem neuen wundervollen Reisegefährten zu erzählen : meiner Gitarre. Mein Wunsch, mir eine Gitarre zu kaufen, um Musik zu machen wuchs mit jedem Tag in Neuseeland und so sind wir eines Tages zufällig vor einem Musikgeschäft gelandet, das klassische Gitarren ( sogar welche von Yamaha) verkaufte und wegen Geschäftsaufgabe ( eineinhalb Tage vor Schließung) die Preise deutlich reduziert hatte. Es war Liebe auf den ersten Anschlag und 10 min später hatte ich eine schön klingende, leicht zu spielende Gitarre zu einem äußerst günstigen Preis erstanden. Seitdem vergeht kaum ein Tag ohne Musik machen, Lieder und Melodien erfinden und viel Freude am Spielen und Singen haben. Meine Gitarre lockt immer wieder Zuhörer an, wie z.B.eine begeisterte Maori, mit der ich über meine Lieder ins Gespräch kam; sie erzählte mir von ihrem Tribe, dessen Gesängen und Tänzen zur Begrüßung von Gästen, von der Bedeutung bestimmter Bewegungen beim Tanzen und der besonderen Art der Maori-Frauen zu kochen. Einige Minuten später kam sie zu unserem Camper und hat mir als Dank für meine Musik und unser Gespräch einen Greenstone geschenkt, was ein ganz besonderes Geschenk ist. Der Greenstone ( eine in Neuseeland zu findende Form von Jade) ist der heilige Stein der Maori, den man nach Brauch der Moari nicht selbst kaufen darf, er muss einem geschenkt werden. Er ist ein Beschützer und Energiespender für seine Träger und bedeutet so viel wie Neubeginn.
Wow, Neuseeland ist ein beeindruckend schönes Land, wo ich Natur in einer Reinheit und Wildheit erleben durfte wie ich sie noch nie zuvor irgendwo gefunden habe. Danke dir lebendiges Wasser, euch singenden Vögeln, euch weisen würdevollen Bäumen, danke euch heilsamen, friedlichen Wäldern, dir in den Bäumen rauschendem Wind, euch ihr wundervollen Blumen, euch Sonne Mond und Sterne, die ihr mit eurem Licht die Vielfalt der Farben und Schatten habt entstehen lassen.
Danke dir Land, in dem deine unterschiedlichen Kulturen friedlich, respektvoll und sich gegenseitig inspirierend zusammenleben, Du schenkst deinen Bewohnern eine hohe Lebensqualität, Du zeigst uns, wie wertvoll ein friedliches Miteinander ist.