Die Einreise nach Neuseeland hat länger gedauert als wir gehofft hatten: Unsere Schuhe waren nicht ganz sauber, Tilmans Heilwolle musste geprüft werden und wir wussten weder wann wir wieder ausreisen wollten noch hatten wir einen Weiterflug gebucht. So wurden wir befragt, unsere Liquidität sprich unser Kontostand wurde überprüft , die Schuhe wurden gründlich desinfiziert und Tilman musste seine Heilwolle in die Tonne werfen.
Neuseeland nimmt es sehr ernst mit dem Schutz seiner einmaligen Naturlandschaften und deren besonderer Artenvielfalt. So standen wir auf unseren Streifzügen durch die Wälder, Wiesen und Wetlands der Nordinsel immer wieder vor Zäunen: manche dienten dem Schutz von gefährdeten Baumarten und andere als Weidezäune für die unzähligen Schafe und Rinder auf den grünen Hügeln Neuseelands. Wie wir an vielen Stellen sehen konnten wurden märchenhafte Wälder, in denen einst wunderschöne bis zu 30 m hohe Baumriesen standen, die einer großen Artenvielfalt an Farnen, Moosen, Büschen und verschiedenen Baumsorten Lebensraum boten in riesige Weideflächen verwandelt. Die dadurch entstandenen sanften grünen Hügel bilden zusammen mit den Waldresten und Büschen eine bezaubernd schöne Landschaft, die manche von euch vielleicht aus den Hobbit – Verfilmungen kennen.
Zäune, Schutzmaßnahmen für die Biodiversity und gefährdete Baumarten und immer wieder Security-Kameras auch an Orten mitten in der Natur: alles zum Schutz einer atemberaubend schönen und vielfältigen Natur!? Daneben Nutzwälder, auf denen Pinien wie Mais angebaut und geerntet werden – was zurückbleibt ist ein verwüstetes Feld mit Baumstümpfen und Ästen. Wald als reine Geldschöpfung? Riesige Flächen Weideland, wo einst märchenhafte Wälder wuchsen? Manches, was wir hier im Umgang mit der Natur gesehen und erlebt haben hat uns fragend zurückgelassen wie z.B. auch die Tatsache, dass wir kaum irgendwelches Biogemüse finden konnten und etliche Organic Shops und Cafés schon nach kurzer Zeit wieder ihr Geschäft aufgegeben haben mangels Nachfrage.
Auf der anderen Seite die Einrichtung eines Department of Conservation (DOC) , das wunderschöne Wanderwege in ansonsten undurchdringliche Urwälder baut, überall schön gestaltete Informationszentren errichtet hat, viele Naturschauplätze für alle zugänglich macht, günstige und schön gelegene Campingplätze zur Verfügung stellt, an allen Parkplätzen und Wanderwegen gepflegte Toiletten unterhält und durch entsprechende Infotafeln aktiv die Achtung vor der Natur unterstützt.
Ohne es vorher geplant zu haben waren wir den alten besonderen Bäumen Neuseelands auf der Spur. Einer von diesen Bäumen ist der Kauri, ein Baum, der hunderte von Jahren alt und riesengroß werden kann. Ich wandere hier durch Wälder, in denen ich keine einzige Baumsorte kenne, ein grüner Urwald wie aus einem Märchenbuch – es würde mich nicht überraschen hier Zwergen oder Feen, Wassernixen und Faunen zu begegnen. In einer Region unterhalb von Auckland sind wir diesen stillen und machtvollen Riesen zum ersten Mal begegnet. Leider waren fast alle walks in den Wald closed, weil diese wundervollen alten Bäume durch eine Krankheit, die sich im Boden ausbreitet und die Wurzeln der Bäume schädigt vom Aussterben bedroht sind. Fasziniert von der Würde und Schönheit der alten großen Bäume haben wir keine Möglichkeit ausgelassen diese stillen Zeugen aus einer alten Zeit der Natur zu besuchen. Es gibt hier auf der Nordinsel etliche schöne Campingplätze mitten im Wald. Wir sind auf Schotterstraßen bis zu 10 km in den Wald gefahren, um auf den grove walks ins Innere dieser ganz besonderen Urwälder zu gelangen.
Die Schuhe mussten wir vorher reinigen und desinfizieren und die Wege wurden immer wieder zu Stegen, auf denen wir die Kauris aus der Nähe sehen konnten ohne dabei den Boden oder deren Wurzeln mit unseren Schuhen zu berühren. Das DOC ( Department of Conservation )hat mit viel Einfühlungsvermögen wunderschöne Wege gestaltet, auf denen wir ein authentisches “Urwalderlebnis” hatten und zugleich die Wälder auf unaufdringliche Art und Weise geschützt werden.
Für die ersten 3 Tage hatten wir über Airbnb in der Nähe von Auckland eine wie sich herausstellte ideale Unterkunft gebucht: Der gastfreundliche Chris war nicht zuhause und hat uns vertrauensvoll sein ganzes Häuschen überlassen. Wir konnten das schnelle Internet unseres Gastgebers dafür nutzen, uns die wichtigsten Infos für einen Autokauf zu holen. Gleich am 1.Tag sind wir losgezogen, um auf dem car fair market nach einem Campervan Ausschau zu halten und bereits am 3.Tag waren wir im Besitz eines zum Campervan umfunktionierten Nissan Presage, der sogar eine selfcontained Zulassung hat, was das Freiticket für alle nur möglichen Campingplätze in Neuseeland ist. Der schon etwas in die Jahre gekommene Luxusfamilycruiser liegt wohltuend satt auf der Straße und summt nur ganz leise beim Fahren – alles in allem ein tolles Fahrgefühl. Wenn da nur nicht der immer unbeweglichere Fensterheber und der Scheibenwischer, der bei Regen etwas an der Scheibe kratzt wären. Der Scheibenwischer war schnell ausgetauscht, den Fensterheber mussten wir dann 14 Tage später unterwegs reparieren lassen, was uns 2 Tage “Verschnaufpause” verschaffte. Wenig später musste eine Dichtung erneuert werden, was uns noch einen Tag “gekostet” hat. Es gab und gibt hier so viel zu sehen und zu erleben, dass ich zunächst jeden Tag, an dem wir nichts unternahmen oder unternehmen konnten als Verlust empfand. Von Tilmans Seite kam der Wunsch nach mehr Sein und Verweilen was bedeutete, dass ich vielleicht nicht alles sehen werde, was ich gerne sehen wollte, dass ich andererseits dadurch die Gelegenheit bekam, an manchen Orten mehr in die Tiefe zu gehen, mein Ohr lauschend an den Boden dieser noch in weiten Teilen intakten Natur legen konnte.
Wir hatten uns dafür entschieden zuerst den nördlichsten Teil Neuseelands zu besuchen und so ging es geradewegs zum Cape Reinga – ein heiliger Ort für die Maori: ihre Verstorbenen kehren wie sie glauben von der vorgelagerten Insel aus in ihre ursprüngliche Heimat zurück. Das war die erste Stelle, an der ich bewusst den Maori und ihrer Kultur begegnete. Von da an begann ich mich mehr und mehr für das Volk der Maori zu interessieren, die ich für das indigene Volk Neuseelands hielt. Wie sich später herausstellte ist gar nicht sicher, wer die ersten Urbewohner waren, denn auch die Maori waren einst mit dem Boot von Tahiti, Hawai,und anderen polynesischen Inseln nach Neuseeland gekommen. So erfuhren wir auf unserem Weg Richtung Südinsel immer wieder etwas Neues über die Maori und ihre Bräuche wie z.B. in einem für Touristen nachgebauten Fischerdorf über die Tapus – heilige Orte und Handlungen, die bestimmten Menschen wie Stammesführern und Medizinmännern vorbehalten waren, was mich stark an unser Wort tabu und dessen Bedeutung erinnert hat.
In der vulkanischen Mitte der Nordinsel, wo aus dem Inneren der Erde heiße Quellen, Flüsse und Geysire an die Oberfläche kommen, u
und wo es wie in einer Hexenküche überall blubbert, brodelt, dampft und deutlich nach Schwefel sprich fauligen Eiern riecht, gibt es etliche Maori-Siedlungen , in denen die alten Traditionen gepflegt, gelebt und an die nächste Generation weitergegeben werden.
Wir hatten das Glück in dem Maori-Dorf Ohinemutu bei Rotorua einen Maori zu erleben, der gerade dabei war, einer Gruppe junger Menschen aus verschiedenen Ländern etwas über die Kultur der Maori, über ihre Verbindung zu Mother Earth und ihre Herkunft zu erzählen. Wir wurden eingeladen, an einem Ritual teilzunehmen, mit dem er das alte Wissen der Maori über das Wesen der Welt, deren Spiritualität und Einsicht in die Zusammenhänge zwischen Geist und Natur mit uns geteilt hat: wir standen alle im Kreis und er hat für einen kurzen Moment seinen Stirnpunkt, das dritte Auge, an den Stirnpunkt jedes einzelnen Teilnehmers gehalten und damit das alte Wissen und Energien übertragen. Das war ein mystischer und spannender Augenblick, den ich noch heute spüre wie wenn es gestern gewesen wäre.
In Wellington, der südlichsten Stadt der Nordinsel und Hafen für die Fähre zur Südinsel steht das neuseeländische Nationalmuseum Te Papa, wo es eine toll gestaltete Ebene über die Geschichte der Maori, deren Lebensweise, Architektur und Bräuche gibt. Die Gestalter des Museums haben es verstanden eine Atmosphäre zu schaffen, die mich in die Zeit vor der Ankunft der Europäer zurückversetzt hat. Die Maori haben alle Ausstellungsstücke wie Boote, Werkzeuge, ja ganze Häuser dem Museum verbunden mit besonderen Ritualen geschenkt. Sie sind auf Ton- und Bildträgern mit ihren Stimmen, Gesängen und Tänzen selbst präsent. Mich haben vor allem die Gesänge und rituellen Tänze fasziniert, in denen eine ganze Gruppe von Menschen mit weit aufgerissenen Augen kämpferische Gebärden und Energie generierende Bewegungen macht. Anders als bei den nordamerikanischen Indianern oder Afrikanern bewegen sich die Tänzer nicht im Kreis, sondern als Pulk. Auf mich hat es wie ein Aufladen der Energie, ein sich Stark-Machen, vielleicht um besondere Kräfte zu erzeugen oder um einen Schutz gegen Bedrohungen von außen aufzubauen gewirkt.
Auf unserer Weiterreise nach Süden sind uns immer wieder tapu points, Stellen, die den Maori heilig(tapu) sind begegnet wie z.B. die Te Waikoropupu Springs, ein riesiger Quelltopf mit (heiligem) heilendem Wasser, das von den Besuchern der Quellen nicht berührt werden darf. Es ist beeindruckend zu erleben wie die neuseeländische Bevölkerung es schafft, respektvoll und friedlich zusammenzuleben. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die Achtung der ganzen Bevölkerung vor den heiligen Orten der Maori, die von den Behörden bewusst geschützt werden. Vielleicht ist dadurch auch mancher Ort in der Natur vor Ausbeutung seitens der Tourismusbranche geschützt worden und wir, die Besucher Neuseelands, haben das große Glück viele wunderschöne Orte in ihrem (fast) ursprünglichen Zustand zu erleben. Immer wieder frage ich mich, ob so wohl das Paradies Erde ausgesehen haben mag, das uns Menschen einst zur Freude und zum Genießen übergeben wurde.
An vielen Stellen übernehmen die Neuseeländer auf vorbildliche Art und Weise die Verantwortung für ihr Naturparadies. Sie haben wunderschöne Wanderwege in den wildesten Naturparadiesen geschaffen, überall gibt es so natürlich wie möglich gestaltete Komposttoiletten und jeder Wanderer ist aufgefordert die Verantwortung für seinen Müll zu übernehmen und ihn mitzunehmen. So sind die Picnic-Areas erstaunlich sauber und nahezu müllfrei. Rückblickend leistet schon die strenge und langwierige Kontrolle am Flughafen ihren Beitrag zum Naturschutz: Jeder Besucher wird dadurch auf das fragile Gleichgewicht in der Natur aufmerksam gemacht und daran erinnert, dass auch ein Samenkorn oder ein kleines Insekt am schlecht geputzten Schuh dieses Gleichgewicht empfindlich stören können.
An manchen Stellen haben wir uns deshalb gewundert, warum z.B. Mülltrennung nicht überall selbstverständlich ist, weshalb so viele Flüsse und Seen durch die intensive Viehzucht verschmutzt sind, warum es kaum Biogemüse gibt und was Helikopterflüge mit Eco-Tourism zu tun haben.
Auf jeden Fall haben die Neuseeländer und ihre unglaublich schöne Natur Glück, dass im Vergleich mit anderen Ländern der Welt nur wenige Menschen auf den beiden Inseln leben, was den Umweltschutz deutlich einfacher macht. Die Bewohner wissen um ihren Schatz einer noch an vielen Stellen unberührten Natur und hüten ihn, denn gerade dieses vielfältige und einmalige Naturwunder Neuseelands ist es, was so viele Menschen anzieht : zum Reisen und Genießen oder um hier zu leben. Ich bin den Menschen, die diese Art des sanften Tourismus wie wir in hier erleben entwickelt haben dankbar und nehme viele gute Anregungen mit.
So viel über unsere 4 Wochen auf der Nordinsel. Im nächsten Bericht gibt es etwas über die herrlichen Gewässer Neuseelands, die Sterne und die Stille, Communities, Erdbeeren und Spargel an Weihnachten. ………………..