Einen Tag im ratternden Zug und danach eine Nacht auf Flughäfen und im Flugzeug unterwegs – mit ziemlich leerem Akku sind wir in Kathmandu angekommen, Gott sei Dank hatten wir keinerlei Probleme mit unseren Visa on arrival und auch ein Taxi zu unserer Unterkunft bei Tashi war schnell gefunden. Wir hatten bei Tashi fünf Übernachtungen gebucht, aus denen am Ende 11 geworden sind: we came as a guest and left the footprint of best friends. Mit einem Frühstück und einem Klangschalen -Konzert von Tilman für sie haben wir uns schweren Herzens nach 4 Wochen, die wir größtenteils gemeinsam verbrachten von Tashi verabschiedet.
Ein unser Immunsystem stärkender Virus oder Bazillus, der einmal längs durch unser Verdauungssystem wanderte, hat den Plan einer Trekking-Tour um den Manaslu in Luft aufgelöst und uns 7 Tage in Kathmandu festgehalten – einer Stadt, die wir am liebsten schon nach 2 Tagen wieder verlassen hätten. Mit etwas mehr Abstand betrachtet gab es viel Schönes für uns in Kathmandu, vor allem berührende Begegnungen mit den Menschen in dieser Stadt: Tashi unsere Gastgeberin, spirituelle Begleiterin und Guide auf dem Annapurna-Trek, Nimesh, der Tapobumi- Reiseveranstalter, der uns auf anrührende Weise an den letzten beiden Tagen begleitet hat, Dinesh unser Träger und Begleiter beim Trekking, Sajan, der Meister, der singing bowls ( Klangschalen), unsere Guides auf verschiedenen Wegen in und um Kathmandu.
Auf den ersten Blick war Kathmandu eine unglaublich staubige, dreckige, laute Stadt, die zu den meisten Tageszeiten in einem völligen Verkehrschaos versank: tausende hupender Motorräder auch in der engsten Gasse, in Taxis verwandelte Kleinwagen, die in Europa längst auf dem Schrottplatz gelandet wären, Busse, die nur noch vom gnädigen Wohlwollen des Himmels zusammengehalten wurden und dazwischen große Menschenmengen, die auch noch irgendwie vorankommen wollten. Wer in einen Bus einsteigen wollte, musste etwas Anlauf nehmen, um auf den noch fahrenden Wagen aufzuspringen, ein Sitzplatz war erst kurz vor der Endstation zu bekommen. Staub, Abgaswolken und ein nie endendes Angehuptwerden – die Herausforderungen auf der Straße.
Die hygienischen Verhältnisse waren die andere für mich gewöhnungsbedürftige Seite Nepals. Klopapier wurde fester Bestandteil unseres Tagesrucksacks, beim Duschen war es völlig normal den ganzen Restroom unter Wasser zu setzen und meistens tropfte es irgendwo aus einer Wasserleitung, einer kaputten Dichtung oder der defekten Klospülung. In vielen öffentlichen Einrichtungen und auch so manchen Lodges (einfache Hütten auf dem Trek) schienen die Betreiber an einen Self-Cleaning-Effekt zu glauben. In den Bussen waren die Sitze so staubig, dass manche Fahrgäste zuerst mit einem kräftigen Klopfen ihre Umgebung in eine Staubwolke hüllten bevor sie sich mit ihrer sauberen Kleidung setzten. Auch während der Fahrt wehte durch die offenen Fenster alles, was auf der Straße aufgewirbelt wurde. Ob es die Rucksäcke auf dem Dach des Busses, der Pulli oder die Schuhe im Bus waren: nach einer mehrstündigen Fährt war alles von einer dicken Staubschicht überzogen.
Bei unserer Gatgeberin Tashi hatten wir es gut: alles war sauber, es gab eine gut funktionierende warme Dusche, wir konnten Wäsche waschen und auf der Dachterrasse trocknen, es gab einen Wasserkocher, trinkbares Wasser und eine gut eingerichtete Küche mit Kühlschrank. Wir waren so dankbar für diesen Rückzugsort im Zentrum eines immer geschäftigen Kathmandu. Es gab hier so viele Läden und Kioske an jeder Straße ganz zu schweigen von Dutzenden von Straßenhändlern mit und ohne Fahrrad, dass wir uns manchmal fragten wer denn all die vielen angebotenen Sachen kaufen soll und ob all die kleinen Läden überleben können.
Was wollten wir in Nepal erleben, sehen und erfahren?
Für mich stand von vornherein fest, dass ich einen der großen Treks machen wollte : Für das berühmteste Trekking- Gebiet am Mount Everest hätten wir einen Flug nach Lukla buchen müssen, was in der Hauptsaison so kurzfristig wie ein Sechser im Lotto gewesen wäre und für mich aus ökologischen Gründen sowieso nicht in Frage kam oder der ebenfalls sehr beliebte und belebte Annapurna- Circuit oder der etwas weniger begangene Manaslu- Circuit? Nachdem uns der Bazillus oder Virus am Anfang unseres Nepalabenteuers ziemlich ausgeknockt hatte, waren wir sofort begeistert von der Idee, uns der indischen Gruppe, die Tashi auf der Annapurna -Tour begleiten sollte anzuschließen. Am 17.10. sind wir zusammen mit 3 Inderinnen, einem Inder, Tashi und 4 Trägern in einem Van nach Besisahar gefahren. Von dort ging es mit einem Jeep über eine kaum befahrbare, atemberaubend naturbelassene Straße nach Chame, von wo wir am nächsten Morgen zum eigentlichen Trekking aufgebrochen sind.
Trekking in Nepal war die Erfahrung der beeindruckend machtvollen Präsenz einer äußerst kraftvollen und zuweilen unberechenbaren Natur, einer gelebten Spiritualität der Menschen in den Bergen, eine Grenzerfahrung für meinen Mut, meine Entschlossenheit und meine eigenen Kräfte. Der Grenzerfahrung einer Passüberquerung auf 5416m Höhe in dünner und eiskalter Morgenluft war in mehrfacher Hinsicht eine Entscheidung zum Verlassen der Komfortzone vorausgegangen. Keiner der Menschen, die früh um 4.00 vom Basecamp zu dieser Erfahrung aufgebrochen waren, wusste sicher, ob er/sie es schaffen würde: 900m Aufstieg in eiskalter Luft mit der Möglichkeit der Höhenkrankheit im Nacken. Es war überwältigend, eine Tasse heißen, süßen Tees in der Hand, oben auf dem Pass zu stehen.
Wir sind durch etliche Bergdörfer gewandert, in denen uns die Menschen immer freundlich, lächelnd, hilfsbereit begegnet sind. Überall gab es Zeichen einer tiefen Spiritualität, die sich aus verschiedenen Quellen zu einem besonderen und friedlichen Miteinander von Buddhismus und Hinduismus entwickelt hat, das die Eigenart der jeweils anderen Kultur respektiert und das Gemeinsame pflegt. Auch in den entlegensten Bergdörfern gibt es zumindest eine Ansammlung von Steinen, auf denen flache kleine Steinplatten liegen, in die Mantren eingraviert sind oder eine Reihe von Gebetsmühlen am Ein-oder Ausgang eines Dorfes, die bei der Ankunft und beim Verlassen eines Ortes von Hand nach rechts gedreht werden, um die Mantren, die auf den Gebetsmühlen zu lesen sind als gute Energie in die Welt zu schicken. Wir sind auch über 3500m an so manchem buddhistischen oder hinduistischen Tempel oder Kloster vorbeigekommen und waren immer berührt von der starken Ausstrahlung dieser Orte. Die vielen Mantren, die dort gesungen wurden, die vielen Gebete und heiligen Handlungen waren als besondere Energie deutlich zu spüren.
Wollte ich unbedingt die Nähe des Himalaya erleben, so war es Tilmans stärkster Wunsch eine oder mehrere Klangschalen zu kaufen. Nepal ist bekannt für die Herstellung hochwertiger Klangschalen, in englischer Sprache singing bowls genannt, was wie ich finde ein super treffender Name für diese wundervollen Instrumente ist.
Nach unserem 7 tägigen Zwangsaufenthalt in Kathmandu wollten wir unseren von einem hartnäckigen Husten geplagten Bronchien etwas bessere Luft gönnen und sind mit dem Taxi in das buddhistische Kloster Namo Buddha gefahren. Die große Klosteranlage befindet sich an einem wunderschön gelegenen Ort im Kathmandutal auf einem grünen weit abgelegenen Hügel – eine Wohltat nach den Tagen im lauten und staubigen Kathmandu. Wir konnten nur 2 Übernachtungen buchen, was uns anfangs viel zu kurz erschien, sich dann allerdings als Geschenk des Himmels herausstellte: die hygienischen Verhältnisse in der Küche und vor allem im Speisesaal waren so unerwartet schlecht ( nach einer Mahlzeit waren unsere Socken klebrig und hatten einen sehr merkwürdigen Geruch), dass ich am Ende auf jede Nahrungsaufnahme verzichtet habe und unglaublich erleichtert diesen wunderschönen, besonderen Ort wieder verlassen habe. Beeindruckend schön war die reich verzierte Shrine Hall, in der sich die Mönche zu den Gebeten und Zeremonien versammelt haben, wie in einer alten Bibliothek war die Altarwand bedeckt von kleinen Holzkästchen, in denen goldfarbene Buddhafiguren mit verschiedenen Handhaltungen saßen. Davor mehrere Altäre mit riesigen sitzenden Buddhas, überall Boxen für Donations, sowohl Geld- als auch Essensspenden. Wir nahmen an mehreren Gebeten und einer No- Moon- Zeremonie teil. Sowohl die Gebete als auch die Zeremonie bestanden aus einer Abfolge von teilweise gesprochenen und teilweise gesungenen Mantren immer wieder unterbrochen von einem Zwischenspiel der heiligen Trommeln und Blasinstrumente der Mönche. Es war deutlich wahrzunehmen wie sich die Energie und Schwingung durch die Mantren der Mönche im Raum erhöhte – sehr beeindruckend.
Langsam kam wieder etwas Leben in unsere schlappen Körper und so sind wir ohne Taxi zu Fuß von Namo Buddha losgezogen in Richtung Patan, einer der alten 3 Königsstädte und wie wir von Tashi erfahren hatten ein Ort, an dem es Singing Bowls Maker gab. Kaum waren wir nach 2 Wandertagen und etlichen Busfahrten in unserer schön renovierten 300 Jahre alten Unterkunft angekommen, haben wir das geheimnisvoll wohlklingende Reich der Singing Bowls betreten. An 2 Tagen haben wir den Stimmen von mindestens 30 verschiedenen Singing Bowls gelauscht: sie sangen hoch und tief, mal laut mal leise, 2,3 und mehrstimmig, mit weiblicher und männlicher Stimme, dem Jupiter, Mars oder verschiedenen Chakren zugeordnet, in klaren Tonhöhen oder schwer definierbaren Mischungen. Wir haben viel Hörerfahrung und Klangerlebnisse gesammelt, haben in großen Bowls gestanden, deren Schwingung im ganzen Körper gefühlt, hatten schwingende Schalen auf dem Kopf, am Rücken und auf den Knien. Völlig high haben wir Patan nach 2 Tagen verlassen mit einer Singing Moonbowl, einer bei Vollmond gefertigten Bowl im Gepäck: The Bowl is calling you – when it is your Bowl you will feel it. Zurück in Kathmandu hat Tilman gleich einen weiteren Laden aufgesucht und 2 weitere Singing Bowls erworben, die er schon zuvor ausprobiert hatte. Am nächsten Tag waren wir noch in fünf anderen über Google gefundenen Läden in Thamel (Kathmandu). Jetzt fiel es uns wesentlich leichter die Spreu vom Weizen zu trennen, weil wir aus Erfahrung wussten, was wir wollten, was uns gefiel. So sind wir auf unserer Tour durch Thamel auch beim Meister der Singing Bowls gelandet: Für Sajan ist die Herstellung einer Singing Bowl ein bewusster schöpferischer Prozess, dem etliche Versuche zur Probe vorausgegangen waren. Er wusste, ob er eine Healing Bowl oder eine für Meditation geeignete Singing Bowl herstellte. Sajan war der einzige, der nicht um den Preis seiner Werke mit sich feilschen ließ. Er wusste, was seine Singing Bowls wert waren.
Noch eine letzte berührende Begegnung hatten wir mit Nimesh aus Kathmandu auf einem Berg bei Pokhara, einer wunderschön an einem See gelegenen Stadt, in der wir ein bisschen Luxus nach dem Trekking genossen. Wir hatten wieder Glück mit der Wahl unserer Unterkunft. Diesmal war es ein rundes Erdhäuschen ganz für uns allein , direkt am See gelegen. Mit einem Boot, das 2 verschiedene Paddel hatte und schon ziemlich morsch war sind wir im Teamwork erfolgreich über den See gerudert, um einen Tempel zu ersteigen. Beim Abstieg trafen wir Nimesh den “Tapobhumi- Mann”. Er ist gerade dabei eine Reiseagentur für spirituelles Reisen in Nepal aufzubauen, die er Tapobhumi – Travel&Tours nennt. Er hat sich an unseren letzten beiden Tagen liebevoll um uns gekümmert, uns ein Hotelzimmer besorgt und mit uns zum Abschied gefrühstückt. Das, was er uns von seiner Geschäftsidee erzählt, trifft sich mit dem wofür auch wir unterwegs sind: er möchte vor allem eines: teilen –den Menschen die wilde Schönheit und die sanfte Seele seiner Heimat zeigen, die Menschen in seiner Umgebung fördern, sie mit seiner Begeisterung inspirieren und etwas Nachhaltiges für sein Land dabei erschaffen. Das Tapobhumi- T-Shirt, sein Abschiedsgeschenk für uns, begleitet uns mit seiner Botschaft durch Neuseeland. (Tapo – ein klares Ziel, eine klare Absicht haben, bhumi – Land )
Unterwegs wurde ich mehrmals gefragt, was mir an Nepal besonders gut gefällt. Da musste ich nie lange überlegen: die Menschen – immer hilfsbereit und gastfreundlich egal wie viel sie selbst hatten. Ihre Zeit und ihr Wissen haben sie großzügig an uns verschenkt, ihre tiefe, aufrichtige Spiritualität mit uns geteilt (was auch für unsere indischen Begleiter auf dem Trek gilt).
Das zutiefst zufriedene, glückliche Lächeln der alten Menschen in den Dörfern hat mich reich beschenkt – es wird mich im Herzen begleiten.